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Wie wäre es, mit einer Dämonin verheiratet zu sein, Ingo Pagan?


1. Wie bist Du auf den Lilith-Stoff gestoßen und was hat Dich daran zu diesem Roman inspiriert?

Eigentlich habe ich mich schon immer für biblische bzw. allgemein religiös-mythologische Themen interessiert. Von Lilith als erster Frau Adams hatte ich aber tatsächlich noch nichts gewusst, bis mir ein Freund einmal davon erzählt hat. Von dieser Figur war ich dann vom ersten Moment an fasziniert: eine starke Frau, der genau diese Stärke zum Verhängnis geworden war, die in der Folge von widersprüchlichen Ideologien vereinnahmt wurde - einerseits als warnendes Beispiel gegen das Aufbegehren wider eine patriarchalische Weltordnung und anderseits als feministische Galionsfigur gegen Unterdrückung und Dämonisierung berechtigter Gleichbehandlungsansprüche. Vielschichtige Charaktere halte ich grundsätzlich für viel interessanter als eindimensionale Stereotypen. Und plötzlich formte sich in meinem Kopf die Frage: Was wäre, wenn du unvermittelt feststellen würdest, mit einer Dämonin verheiratet zu sein, hin und her gerissen zwischen Zuneigung und Schrecken, zwischen Verantwortung für sie und den Rest der Welt, und stets begleitet von der Frage, ob du ihr vertrauen kannst und solltest - oder es keinesfalls darfst? Daneben geht es auch um die grundlegende Frage von Schuld und Vergebung, oder genauer: ob und unter welchen Umständen auch die größte Schuld vergeben werden kann und ob solche Vergebung Buße voraussetzt oder zumindest Reue - oder was sonst.


2. Wieviel beim Schreiben war Recherche, wieviel Spaß am Erzählen und Phantasieren?

Mit dem Spaß am Fabulieren fing es an. Dann hat sich die Phantasie schnell verselbständigt. Zu Beginn hatte ich nur die Grundidee, aus der sich allmählich wesentliche Stationen des weiteren Plots entwickelt haben. Lange Zeit wusste ich selbst nicht genau, wie es weitergehen würde - nicht einmal das Ende der Geschichte war sicher. Man könnte sagen, dass die Erzählung schnell ein Eigenleben entwickelt hat, so dass ich selbst oft von den Geschehnissen überrascht wurde, während ich sie aufschrieb. Die Recherchen waren zwischendurch immer wieder nötig, um das Fundament für die eine oder andere Idee zu schaffen. Häufig führten die damit verbundenen Erkenntnisse aber dann auch wieder zu neuen Ideen.

3. In wie viele historische Frauenfiguren lässt Du Lilith inkarnieren – und muss die Weltgeschichte umgeschrieben werden?

Ziemlich früh habe ich eine mehr oder weniger lückenlose Zeitlinie für Lilith entworfen, um den historisch-mythologischen Kontext glaubwürdig einhalten zu können. Im Roman selbst werden über ein Dutzend Personifikationen erwähnt, aber insgesamt sind es noch einige mehr. Um stimmig zu bleiben, muss ein Autor immer mehr wissen, als er erzählt - und vielleicht gibt es ja auch noch eine Fortsetzung ...

Was das Umschreiben der Weltgeschichte angeht, kann ich die Historikergemeinschaft beruhigen. Ich habe ja gerade darauf geachtet, dass bekannte historische Ereignisse unverfälscht bleiben, wenn sie auch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet in neuem Licht erscheinen. Allerdings war ich selbst stellenweise überrascht, wie nahtlos sich die neu definierten Zusammenhänge in die geschichtlich überlieferten Fakten einpassen ließen. Wenn ich nicht wüsste, dass ich das alles selbst erfunden habe, könnte ich beinahe selbst an eine neue Verschwörungstheorie glauben.



4. Wen würdest Du Dir als Regisseur für die Hollywood-Verfilmung wünschen?

Alfred Hitchcock! Wie kein Zweiter hat er jeden Stoff kongenial umgesetzt und dabei die verfügbare Technik seiner Zeit über deren angenommene Grenzen hinaus genutzt - aber nicht um der Effekte selbst willen, sondern dramaturgisch auf den Punkt. Obwohl er nie einen Fantasy-Film gedreht hat, bin ich sicher, er würde heute auch in diesem Genre brillieren und überraschen - wenn er denn noch zur Verfügung stünde.

Etwas dichter an dem Sujet, fielen mir zum Beispiel die frühen James-Bond-Filme ein: Spannung, Action, globale Verflechtungen, exotische Schauplätze und ein bisschen Erotik (ohne je schlüpfrig oder respektlos zu werden), gepaart mit einem augenzwinkernden Humor, der dafür sorgt, weder die gezeigte Gewalt noch 007s Chauvinismus - oder auch sich selbst - allzu ernst zu nehmen. Als Regisseure also: Terence Young oder Guy Hamilton. Aber auch die leben leider nicht mehr.

Unter den moderneren Filmen, die bei allem Spaß auch ein Quantum Ernsthaftigkeit nicht vermissen lassen, so dass das Publikum zwar in erster Linie unterhalten wird, aber darüber hinaus vielleicht auch eine Idee mitnimmt, die es noch für eine Weile beschäftigt, kommt mir beispielsweise der Marvel-Film "X-Men: Zukunft ist Vergangenheit" unter der Regie von Bryan Singer in den Sinn. Wie darin die unauflösbar scheinenden Verluste und Konflikte der vorausgegangenen X-Men-Filme letztlich doch zu einem umfassenden und dennoch glaubhaften Happy-End geführt werden, ohne ein unschlüssiges Zeitparadoxon zu bemühen, finde ich schon genial.

Falls die Geschichte tatsächlich einmal verfilmt werden sollte, würde ich übrigens zumindest beim Casting für Lilith gerne mitreden dürfen. Die Rolle steht und fällt damit, wie überzeugend die Ambivalenz dieser Figur zum Ausdruck gebracht wird.

Ingo Pagan stellt sein Buch auf der Literatur Couch am 4.11. im Alten Bahnhof Kettwig vor. Nähere Infos und Anmeldung hier.

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