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Wie war das damals in Namibia, Klaus Nürnberger?


Ihr Buch zeichnet das Leben Ihrer Eltern nach, die in den 20er und 30er Jahren gemeinsam eine Farm in Namibia aufgebaut haben, deren Lebenswege sich aber dann trennten. Sie schreiben das aus einer großen historischen Distanz, und dennoch berührt es ja auch ihre eigene Biografie. Wie war das, das Leben der Eltern als zeittypisch zu verstehen?


Ich konnte mich in vielen Hinsichten nur schwer mit meinen Eltern identifizieren. Durch diese Arbeit erkannte ich, dass die Vergegenwärtigung eines vergangenen Lebens zu einem tieferen und umfassenderen Verstehen führt, wenn man seine schicksalhafte Einbettung in die großen naturhaften, kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten und Prozesse ihrer Zeit in Rechnung stellt. Indem ich mich in ihre Lage hineinversetzte, wurde mir der Zusammenhang zwischen dem Leben meiner Eltern und meinem Leben, das sich dann unter anderen Voraussetzungen entfaltete, klar. Meine Identität umfasst jetzt, ganz anders als zuvor, die Generation meiner Eltern.


Was ist Ihre schönste Kindheitserinnerung im Zusammenhang mit der Farm Frankenhof?

Im Gegensatz zu den langen Monaten des Lebens in Schule und Schülerheim waren die Ferien in Frankenhof paradiesisch: Die trockene Hitze statt des nebligen und windigen Küstenklimas; das traute Zuhause; die Gegenwart der Mutter; die Arbeiterfamilien; die grenzenlose Freiheit zu basteln, in die Gegend zu reiten, einen nahen Berg zu besteigen, oder unter einem Schattenbaum liegend die Wolken zu beobachten; die Haustiere: Katzen, Hunde, Pferde, Hühner; die Begegnung mit wilden Tieren: Kudus, Zebras, Oryx, Strauße, Schakale, Perlhühner; die blühenden Dornbäume. Es war einfach eine andere Welt.


Ihr Material besteht ja zu großen Teilen aus Briefen. Briefe waren ja für die Eheleute das einzige Mittel der Kommunikation, wenn sie getrennt waren. Was würden Sie sagen, mal ganz banal gefragt: was an Kommunikation gelang da, vielleicht auch besser als in einem Telefonat – und was nicht?


Bedingt durch die beiden Charaktere und das enge, ununterbrochene Zusammenleben im gleichen Lebensraum geriet das Gespräch zwischen den Ehepartnern leicht in ein Streitgespräch. In einem Streitgespräch wird man gedrängt, schlagfertig zu kontern, um Recht zu behalten, oft ohne genügend zuzuhören und nachzudenken. Das ist in einem Briefverkehr anders. Man kann einen empfangenen Brief langsam und wiederholt lesen. Man kann darüber nachdenken und zu einer sachgemäßeren Antwort finden. Die Liebe hat eine Chance. Die Verständigung zwischen den Eheleuten war auffallend friedlicher, liebevoller und “vernünftiger” im Briefverkehr als im mündlichen Gespräch. Allerdings geht im Briefverkehr auch die Spontaneität und Beweglichkeit eines Gesprächs verloren.


Man erfährt durch ihr Buch viel über das Leben in Namibia damals, in dem ja viele Deutsche siedelten. Man erfährt aber auch viel Interessantes über das Leben eines Soldaten in Nazideutschland, über die Kriegs- und Nachkriegszeit. Für welche Leser und Leserinnen ist Ihr Buch Ihrer Ansicht nach besonders zu empfehlen?


Da sind zunächst selbstverständlich die Nachkommen und die weitere Familie, aber das ist eine kleine Schar.


Zweitens: Wissenschaftlichen Bearbeitern der jüngeren deutschen und europäischen Geschichte wird Anschauungsmaterial für die Auswirkungen des Geschehens in Europa auf die ehemaligen Kolonien geboten. Die Konzentration auf das persönliche Erleben von Einzelnen, statt auf die großen politischen und militärischen Akteure und Bewegungen, bereichert die Geschichtsschreibung mit der existenziellen Betroffenheit von konkreten Menschen.


Drittens: Die deutsche Öffentlichkeit scheint trotz unglaublicher und einmaliger Bemühungen noch immer nicht mit dem Trauma des Dritten Reiches fertig zu werden. Dazu gehört zweifellos das erneute Aufleben faschistischer Bewegungen.

Ich meine, dass nur eine echte Auseinandersetzung, statt pauschaler Verurteilungen, zu einem gemeinsamen Weg in die Zukunft führen kann. Meine Analyse zeigt, dass es sich bei dem Nationalsozialismus um eine geschlossene, der heutigen liberal-humanistischen Überzeugung diametral entgegengesetzte Überzeugung handelte, die ohne die Katastrophe von 1945 kaum so schnell zusammengebrochen wäre.

Ich lade alle Interessierten ein, das Buch zu entdecken, sich damit auseinandersetzen und in den Dialog mit mir zu treten.



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