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"Musik und Liebe stehen in einer symbiotischen Verbindung"

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Lieber Jörg, ein zweiter Band mit Kurzgeschichten nach den Romanen: Was reizt Dich an dieser literarischen Form, was kann sie besser als der Roman?

 

Aus dem Blickwinkel der Literaturwissenschaft erfüllen auch meine neuen Texte, beginnend schon beim Umfang, wohl kaum die Kriterien der klassischen Kurzgeschichte. Man wird in Ermangelung begrifflicher Alternativen in mancherlei Hinsicht doch eher von Erzählungen sprechen müssen. Wie dem auch sei, eine deutliche inhaltliche und räumliche Beschränkung gegenüber dem Roman liegt selbstredend vor. Das Reizvolle an dieser, nennen wir sie „Mischform“, scheint mir – bei aller weiterhin bestehenden Fabulierlust – zum einen die Möglichkeit der Verdichtung von Geschehnissen und Erinnerungen auf eine überschaubare Seitenzahl bei gleichzeitig innerhalb der Texte variierender, nicht zwingend linearer Chronologie, was so z.B. in der „Short Story“ sicher ausgeschlossen ist. Zum anderen entfällt die (mitunter etwas mühselige) akribische Entwicklung der handelnden Personen - sie werden auf wenige, dafür entscheidende Lebens- und Liebesmomente reduziert, was, so die Hoffnung des Autors, die Intensität, vielleicht sogar das Exemplarische des Erzählten steigert. Ein schöner Nebeneffekt für mich war auch die Möglichkeit, auf solche Weise einigen Episoden, die aus den vorangegangenen Romanen herausfielen (in der Popmusik würde man von „Outtakes“ reden) oder nur angedeutet werden konnten und ein Schattendasein an der Peripherie führten, noch einmal mehr Raum zu geben und in anderem Licht neu aufleuchten zu lassen.

Trotzdem, das nächste Buch wird wieder ein Roman. Versprochen. 

 

„Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist“ – ein Shakespeare-Zitat, richtig? Gibst Du uns etwas Kontext zu diesem Titel?

 

Stimmt: O-Ton Stratford-upon-Avon. Des großen Meisters „Was ihr wollt“, 1. Akt, 1. Szene – und sogar die ersten Wörter. „Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist...“, hofft der in der Liebessehnsucht verfangene Herzog Orsino und weist die höfischen Musikanten an: „Spielt weiter!“ Soweit gehe ich gerne mit – und wie! Ich war schon immer der festen Überzeugung, dass Liebe und Musik, Musik und Liebe in einer symbiotischen Verbindung zueinanderstehen, die eine untrennbar von der anderen. Damit aber wird Musik nicht einfach nur zu einem irgendwelche Liebesdinge begleitenden Soundtrack, wie es z.B. oft im Film geschieht, sondern entfaltet ihre eigene, schwer zu greifende Sprache, aus der noch Jahrzehnte später fast magisch die Erinnerungen an die Liebe klingen – ganz gleich, ob es sich um einen Drei-Strophen-Popsong oder eine große Opernarie handelt.

„Gebt mir volles Maß!“, fährt Orsino fort – und lässt gleich ein Paradoxon folgen: „Dass so die übersatte Lust erkrank´ und sterbe.“ Halt! Erst sollen die Spielleute also übermäßig die Saiten schlagen, um das Liebessehnen zu verstärken – dann aber schiebt der Herzog sogleich die Erwartung nach, dass an dieser musikalischen Übersättigung zwangsläufig auch das eigene Verlangen sterben würde. Shakespeare wird aber sehr genau gewusst haben, dass dieses Mittel nicht funktionieren und auch Orsinos Depression nicht heilen wird. Im Gegenteil, die Musik wird beides lebenslang hochhalten, das Begehren nach dem Liebesaugenblick und die Trauer über seine Vergänglichkeit.

„Spielt weiter!“ rufe ich deshalb in meinen Erzählungen auch den Musikanten von Pink Floyd über Franz Lehár bis hin zu Alain Barrière zu – möge ihre Kunst der Liebe ewige Nahrung geben!

Aber um dem Thema eine allzu große Schwere zu nehmen: Die 60er-Jahre-Hitparaden-Truppe „Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich“ betitelte eines ihrer Alben mit dem Shakespeare-Zitat, um anzufügen: „Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist – bereite dich auf Verdauungsstörungen vor! (If music be the food of love – prepare for indigestion!)“. So weit möchte ich ihnen allerdings dann doch nicht folgen.

 

 

Welchen Facetten der Liebe begegnen wir in diesen acht Erzählungen?

 

Dispersion ist ein faszinierendes Phänomen, das einen Edelstein in einer Vielzahl von Farben funkeln lässt. Die Art und Weise, wie seine einzelnen Flächen geschliffen sind, beeinflusst, wieviel Licht er einfängt und zurückwirft. Mir scheint, diesem Gesetz sind auch die Liebes-Facetten in meinen Texten unterworfen. Leuchtete die eine eben noch feurig auf, wirkt die nächste nur noch matt und stumpf, eine andere gar völlig ungeschliffen. Mehrfach ist von Liebes-Versuchen, frühen wie späten, die auf die eine oder andere Weise nicht gelingen, die Rede – und von der Erkenntnis der Liebenden nach Jahrzehnten, was sie sich doch gegenseitig hätten sein können. Nun bleibt ihnen nur noch, der oder dem Geliebten erinnernd nachzurufen.

Es finden sich hier aber nicht nur Geschichten von der romantischen Liebe. So ist u.a. von einer Domina, die nebenbei eine Buchhandlung führt und kurz davor ist, sich in einen belesenen Kunden zu verlieben, genauso zu erfahren wie von einem Religionslehrer, der im Unterricht die christliche Caritas propagiert und im Privatleben an den eigenen Ansprüchen scheitert.

Die Facetten der Liebe: Ach, es gäbe noch so viele andere, die zum Funkeln zu bringen wären...So write on!

 

 

 
 
 

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