Wim Martin, Dein neuer Roman SUICIDE BLONDE spielt abermals in Deiner Heimatstadt Velbert. Warum?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen basiert die Geschichte auf einem realen Fall, der sich in meinem direkten Umfeld abgespielt und mich sehr geschockt hat. Für den vorliegenden Roman habe ich ihn aus Gründen der Pietät natürlich stark fiktionalisiert. Zum anderen wollte ich die Handlung nicht in ein anderes Setting verlegen, weil sie mir gerade dort, als Paradigma für den demographischen Wandel in meiner Heimatstadt, überaus passend erschien. Velbert bot sich an als Schauplatz für die Geschichte, die von radikaler Entfremdung und Vereinsamung handelt. Ein perfekter Ort als Sinnbild des sozialen Niedergangs, den die Hauptfigur schmerzlich erfahren muss.
Du hast viel recherchiert für die Geschichte, unter anderem auch Dich mit Jenseitskontakten auseinandergesetzt. Wie kam es dazu?
Die Frau, von der ich erzähle, versucht die Flucht aus einem gescheiterten Leben, indem sie sich eine Liebesbeziehung mit einem seit 25 Jahren verstorbenen Rockstar einb
ildet. Sie wähnt Kontakt mit ihm zu haben auf obskuren Radiowellen im Äther, von wo sie seine Stimme hört. Bei der Recherche zum Thema Stimmen der Verstorbenen stieß ich auf schier unglaubliche Dinge. Es gibt zum Beispiel eine ganze -und in höchstem Maße florierende- Industrie, die Kontakte mit Verstorbenen anbietet. Eine nach meinem Dafürhalten überaus unseriöse Branche, welche den Schmerz Hinterbliebener skrupellos ausnutzt, um Kasse zu machen.
Die Hauptfigur ist wie oft in Deinen Romanen eine Außenseiterin, welche aufgrund ihrer radikalen Überzeugungen nicht unbedingt eine Sympathieträgerin ist. Was reizte Dich an einer Geschichte über eine schizophrene Frau?
Ich finde es spannend, von Menschen zu erzählen, deren Leben sich abseits aller Normen abspielt. Und dann schafft, für einen Autor natürlich ein ergiebiger Stoff, das momentane gesellschaftliche Klima den perfekten Nährboden für eine solche Radikalisierung. Die sozialen Medien und die ausweglose Diktatur der digitalen Welt befeuern völlig absurde Verschwörungstheorien, denen sich die Menschen ohne die geringsten Vorbehalte in die Arme werfen. Und das von naiver Blauäugigkeit geprägte Erbe Angela Merkels, die andererseits einen der wenigen integren Charaktere in der Politik verkörperte, verursachte diesen unsäglichen Rechtsruck, den wir in unserem Land seit 1945 eigentlich für unmöglich gehalten hatten. Ich höre täglich in Gesprächen flammende Bekenntnisse zur AfD. Meine Figur der Johanna zeigt anschaulich, wohin der Weg zwangsläufig führen muss, wenn man aus Enttäuschung, Verbitterung und Frustration sich aus der ideologischen Mitte entfernt.
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